Baal
von Bertolt Brecht
Inhalt
„Die Liebe ist wie eine Kokosnuß, die gut ist, solange sie frisch ist, und die man ausspeien muß, wenn der Saft ausgequetscht ist und das Fleisch bleibt über, welches bitter schmeckt.“
Absolute Freiheit, Rebellion gegen das bürgerliche Leben und Ablehnung allgemeiner Moralvorstellungen - damit setzen sich die meisten Jugendlichen auseinander. Welche Folgen hat die unbedingte Verwirklichung des eigenen Selbst? Führt ein Leben ohne Kompromisse und Rücksichtnahme in die Isolation?
Baal ist ein Phänomen, das den Erwartungen der Gesellschaft nicht genügen kann. Als talentierter und obszöner Dichter wird er bewundert und gefeiert, lässt sich jedoch nicht vereinnahmen und verweigert die Vermarktung seiner Kunst. Den rastlosen Außenseiter zieht es in Kneipen zu einfachen Menschen sowie Ausgestoßenen, und schließlich flieht er in die Natur. Baals Kompromisslosigkeit wirkt faszinierend und verführerisch. Er ist gierig nach dem Leben, nach Alkohol und Sex, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen seiner Taten.
In der aktuellen Inszenierung „Baal“ erkunden die jugendlichen Darsteller des spinaTheaters das Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und Egoismus.
ab 14 Jahren
Ensemble
Besetzung
Baal |
Dustin Weber |
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Ekart |
Florian Borneck |
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Sophie |
Julia Nau |
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Johannes |
Keagan Ceasar |
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Kellnerin Luise |
Serafina Kuhl |
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Mutter, Landjäger |
Lena Mergard |
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Johanna, Prozession |
Aline Annessy |
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Emilie, Maja, Prozession |
Pia-Marie Stute |
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Pschierer, Conférencier, Prozession |
Christoph Stec |
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Bürger, Hausfrau, Watzmann, Prozession |
Caroline Heiner |
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Bürger, Ältere Schwester, |
Gwendolyn Sperling |
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Amtsbote, Fuhrmann, Holzfäller, Prozession |
Niklas de Haas |
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Fuhrmann, Holzfäller, Wärter, Prozession |
Joshua Friedrichs |
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Mech, Geheimpolizist, Gougou, |
Sebastian Scharnagl |
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Junger Mann, Bürger, Bettler, |
Finn Cam |
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Piller, Fuhrmann, Bolleboll, Holzfäller, Prozession |
Simon Rodrigo Stursberg |
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Junge Frau, Bürger, Jüngere Schwester, |
Lisa Sadlowski |
Team
Regie |
Olek Witt |
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Bühne, Ton und Licht |
Jan-Marco Schmitz |
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Kostüme |
Pia-Marie Stute |
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Maske |
Caroline Heiner |
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Dramaturgie |
Sebastian Clar |
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Regie- und Produktionsassistenz |
Stefan Heinen / Anne Kupser |
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Choreographische Mitarbeit |
Julia Anne Steinhardt |
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Stimmbildung |
Corinna Elling-Audersch |
Premiere
16. September 2014, Theater Solingen, Studiobühne
Hintergrund
Zum Stück
Der Drang nach grenzenloser Freiheit, Rebellion gegen das bürgerliche Leben und die Ablehnung allgemeiner Moralvorstellung-
en bestimmen das Leben des jungen Bertolt Brecht; dies gehört auch heute noch zum Erwachsenwerden vieler Jugendlicher. Welche Folgen hat die unbedingte Verwirklichung des eigenen Selbst? Führt ein Leben ohne Kompromiss und Rücksichtnahme zum Glück?
Brecht hat diese Problematik in seinem ersten Theaterstück „Baal“ behandelt, und sie ließ ihn nicht mehr los. Er überarbeitete das Jugendwerk immer wieder, sodass fünf Fassungen und zahlreiche Fragmente entstanden. Zufrieden war er mit keiner Version des „Baal“, weshalb das Stück unvollendet blieb. Dies sowie die lose und teils austauschbare Szenenfolge gaben für uns den Anstoß, die verschiedenen Fassungen als Material zu betrachten und aus ihnen eine Spielfassung mit eigenen Schwerpunkten zu erstellen.
Der Dichter Baal führt ein rastloses Leben, gierig nach Alkohol, Sex und immer neuen, stärkeren Reizen. Er ist getrieben, flieht feste Bindungen und lässt sich weder von Geliebten noch von Geschäftsleuten vereinnahmen. Baals Kompromisslosigkeit und Radikalität wirken verführerisch. Er lebt das, was andere verdrängen offen aus, bekennt sich zu seinen Trieben und nimmt sich, was er will. Hierdurch strahlt er eine enorme Anziehungskraft auf seine Umgebung aus, wird jedoch zum Außenseiter, da er die Scheinmoral der Gesellschaft entlarvt. Baal ist ein Phänomen, das den engen Erwartungen der Allgemeinheit nicht genügen kann. Er lehnt die ihm aufgedrängte Rolle des profitablen Dichters ab und verweigert die Vermarktung seiner Kunst.
Voller Widersprüche und Ungereimtheiten stellt Baal eine kom-
plexe Figur dar. Obwohl er sich gegen die eigene Ausbeutung wehrt, nutzt er andere Menschen aus. Sex und Affären dienen ihm als Anregung zur Produktion von Lyrik, und er bedichtet skrupellos sogar den Untergang der Menschen, die er missbraucht hat. Andererseits zeigt er auch positive Seiten in der liebevollen Beziehung zur Mutter sowie dem Protest gegen die mutwillige Zerstörung der Natur. Paradox wirkt ebenfalls, dass Baal andere zu Exzessen anstachelt, mit den Folgen jedoch nicht zurecht kommt. So unterbindet er die sexuelle Freizügigkeit Ekarts und ersticht den Freund schließlich aus Eifersucht.
Baals absolute Freiheit erweist sich letztlich als Freiheit von jeglichen Bindungen. Der rastlose Dichter, der zuvor seine schwangere Frau Sophie zurückgelassen hat, stirbt einsam und erniedrigt. Dennoch bereut Baal sein Leben nicht, als er mit letzten Kräften in die Natur zurück kriecht. Die Frage nach seinem persönlichen Glück bleibt offen.
Sebastian Clar
Widersprüche des Menschseins
Baal offenbart die Widersprüche des Menschseins: Zwischen der Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit und der Sicherheit des Mutterschoßes maßt sich das tierähnliches Wesen eine olympische Macht an, die letztendlich in der Zerstörung seiner Selbst endet. Das ist tragisch, aber manchmal auch nur komisch.
Baal ist ein Visionär, der sich bewusst ist, wozu ein Leben ohne Rücksichtnahme und Kompromisse führen wird. Er ist kein Held, kein Vorbild; aber seine Leidenschaft, seine rauschhafte Freude am entfesselten Leben und seine Liebe zur Natur faszinieren besonders junge Menschen.
Theater ist ein Raum der Freiheit, in dem sich das Gegenwärtige schnell verflüchtigt. Und doch: In diesen Augenblicken erleben wir eine Wirklichkeit, die nicht weniger wirklich ist, als die, die draußen tagtäglich fernmedial behauptet wird. Hier finden wir uns wieder, wo wir anders schon verloren schienen.
Olek Witt, Regisseur
Darsteller über das Stück
Man könnte schnell denken, Baal sei ein absoluter Egoist. Aber vielleicht kommt es uns auch nur so vor, weil wir es gewohnt sind, uns anzupassen und uns den Wünschen anderer zu beugen. Vielleicht ist Baal also nicht „egoistisch“, sondern „natürlich“.
Für mich hat das Stück eine sehr aktuelle Thematik. In einer Welt, die von dem Zwang, Geld zu verdienen, engen Moralvorstellungen und Anpassung dominiert wird, sucht Baal nach Freiheit, will sein eigenes Leben leben – und das nicht erst nach acht Stunden Arbeit und am Wochenende. Die Frage, der wir uns alle stellen müssen, ist: Sicherheit oder Freiheit?
Finn Cam
Ein rastloses Leben habe ich auch, was aber nicht heißt, dass ich alle Schranken durchbreche und in die Wälder laufe. Ruhelosigkeit, Frustration und Unentschlossenheit gehören durchaus zum Erwachsenwerden.
Florian Borneck
Johanna bringt sich wegen Sex um. Das würde ich nie machen. Interessant finde ich daran, mir vorzustellen, wieso sie es tut.
Aline Annessy
Es gehört zum Leben, mal nicht zu wissen, was als nächstes passiert und es einfach mal auf sich zukommen zu lassen.
Keagan Ceasar
Ich glaube, Baal ist ein sehr chauvinistischer Mann, der gut mit Worten umgehen kann. Ob ich mich von jemand wie Baal angezogen fühlen würde? Ja, ich denke schon.
Lena Mergard